Donnerstag, 11. August 2011

Integration von Cyborgia und Real Life?

Peter Hinzmann schreibt auf seinem Blog #Flow gerade an einer Serie über die "Prinzipia Cyborgia" (sehr lesenswert).
Vor einigen Tagen habe ich darin einen Kommentar zu Kapitel 2 geschrieben, der - weil ich dabei unterbrochen wurde - im Internet Nirvana verschwunden ist - ehe ich die Sendetaste drücken konnte.
Mit der Integrationsfrage hat's Peter Hinzmann schon im 5. Kapitel selbst genau auf den Punkt gebracht:
Wenn Du Cyborgia als "in Dir" betrachtest und erlebst, statt es als Projektion im Aussen wahrzunehmen, fällt die Integration einerseits leicht. Andererseits konfrontiert uns dies konsequenter Weise mit Schattenseiten unseres Selbst, die auf den ersten Blick einfach gefälliger daher kämen, wenn wir sie - als nicht zu uns gehörend - zuerst projezierten und dann - elegant - von uns weg polarisierten.
Viele unserer Leser kennen inzwischen meine Montagsübung, die einen Weg zur Integration vorschlägt, und diese ist natürlich auch auf Tweets anwendbar.
Wenn ich dann bisweilen zu sehen kriege, was manche Tweeps bewegt (... wozu ich eher distanziert bin), bzw. völlig unberührt lässt (... während sich mir so sehr der Magen umdreht, dass ich fühlen kann, wie's mir die Eingeweide zerreisst) wird's mit der Integration mitunter selbst für mich schwierig, wer will mir das verdenken? Spiegelneuronen wirken auch insbesondere über das Internet und können uns zum Lachen oder zur Entspannung bringen oder uns eben auch (re-) traumatisieren.

Der Weg, denn Peter Hinzmann sich anschickt, so mutig zu beschreiten,
  • braucht Übung (... in kleinen Dosen ist er vielleicht gerade noch ertragbar ...) 
  • und daher Zeit :) 
Das unterstützt das Bedürfnis nach und den von ihm zitierten Trend zum Minimalismus genau so wie es zu seiner Aussage: "Geht halt nicht alles gleichZEITIG..." verleitet.
Geht es vermutlich doch, denn wenn Du die zeitliche Dimension auch im Internet verlassen könntest, würdest Du vermutlich feststellen, dass alles schon da ist :)... selbst dann, wenn es noch niemand in diesem "materialisierten Vorstadium bei der Rückkehr zum kollektiven Bewusstsein" (~~~> Julian Haslingers #dasistTwitter) ausformuliert haben mag. Wir sind in einem Prozess, einem Strudel, einem Sog, der uns schwindlig werden lässt, uns von Moment zu Moment verändert oder uns bewußt macht, dass wir schon immer so sind :)
Das Herumsurfen in Cyborgia (speziell im Social Media Bereich) mit Meditation zu vergleichen, hinkt gewaltig. Denn selbst ein noch so gedankenverlorener Spaziergang in der Gedankenflut dieser Welt führt nicht ins Atma Darshan, auch dann nicht, wenn man vor Erschöpfung kurz davor ist, über der Tastatur einzuschlafen :))
Die Konsequenz, die manch ein vom Burnout (oder einer Überlastungsdepression) bedrohter Cyborg nun ziehen mag, nämlich nach einem "Digital Sabbatical", nebst den damit verbundenen Selbstkasteiungen, zu schielen , deuten auf den vielbesungenen Suchtansatz hin:

Jeder Versuch, sich als vom Internet abhängiges Opfer zu stilisieren, das sich aus dieser Sucht befreien muss, wirkt hilflos wie die guten Vorsätze eines Alkoholikers, der noch keinen wirklichen Grund sieht, trocken zu werden :))

Der Begriff Cyborg (engl. Akronym aus cybernetic organism, dt.: „kybernetischer Organismus“) beschreibt ein Mischwesen aus Mensch und Maschine, eine technisch veränderte biologische Lebensform, also weder Android noch Roboter, die sich der Digitalisierung bedient jedoch weiterhin zu analogem Denken, Fühlen und Handeln in der Lage ist.  Wenn Peter Hinzmann und Alex Nowak auf "Der falsche Blog Hase" über die große kybernetische Erschöpfung sinnieren, und von sich selbst ironisierend als Cyborgs sprechen, kommt darin zum Ausdruck, dass sie sich den Cypberspace so sehr zu eigen gemacht haben, dass sie sich in der virtuellen Welt genau so bewusst bewegen wie im realen Leben, wobei der Schwerpunkt bei dem von ihnen dafür erbrachten Zeitaufwand anscheinend eher in der virtuellen Welt liegt.

Das Internet und insbesondere das Web 2.0 ist letztlich nicht mehr aber auch nicht weniger als ein globales multimediales (im Sinne von: Eine Vielzahl von Medieneigenschaften zusammenführend) Kommunikationsmedium
An seinen Möglichkeiten erfreue ich mich täglich, und aus meiner beruflichen Tätigkeit ist Cyborgia heute kaum noch wegzudenken. Insofern habe auch ich mein RL (Real Life) und CL (Cyber Life) inzwischen weitgehend integriert und bewege mich im einen Raum jeweils so kongruent (oder an schlechten Tagen - inkongruent) wie im anderen.
Jedoch können scherzhaft "#Twitterkaffee"-getagte soziale Zusammentreffen im Netz mir nur dann echten Kaffeegenuss mit sich bringen, wenn ich mir dazu eine Tasse des wohlduftenden RL-Gebräus neben den Rechner stelle und zwischen zwei Tweets auch mal einen Schluck davon zu mir nehme. Wirkliche Integration erfordert m.E. nicht nur den ungezwungenen Umgang mit RL und CL sondern eben auch echte Pausen, echtes Essen, echtes Schlafen und alles, wonach dem echten Körper des Cyborgs der Sinn steht. Unterscheidungsvermögen ist und bleibt dabei des Cyborgs wichtigste analoge (!) Ressource.
Geschwindigkeit und Omnipräsenz z.B. des Microbloggingsystems Twitter simulieren zwar ein menschlich kollektives Bewußtsein, machen die Welt aber nicht schon deshalb an und für sich besser.
Wenn wir uns eine bessere Welt für Menschen wünschen, können wir uns - durch die Demokratisierung der Information via Internet - aktiv an deren Entwicklung beteiligen und die Cloud-Intelligenz könnte uns dabei unterstützen, gute Entscheidungen zu treffen.  Jedoch kommt auch dann eine gewünschte Veränderung nur wirklich zustande, wenn wir sie zunächst in uns selbst vollziehen (Be the change you want to see in the world.” Mahatma Gandhi).
Diese Veränderung dann mit anderen im Netz zu teilen, oder sie auch im Stadium ihrer Manifestierung in einem gemeinsamen Prozess hervorzubringen, ist ein Weg über Feedback und aktive Kommunikation die Veränderung zu beschleunigen.
Wenn unsere Seele dem Tempo noch folgen können soll, müssen wir es gelegentlich mit den Sherpas halten, die zwischendurch immer wieder mal eine Pause einlegen, damit Ihre Seele sie wieder einholen kann :)) Das macht uns nicht langsamer, sondern schneller. 
Ohne feste Verankerung des Cyborgs im wirklichen Leben (als Kind, Partner, Eltern, Arbeitskollege, Handwerker, Jäger, Sammler, Schüler, Lehrer, Manager, Journalist, Coach, Mentor  u.s.w.) bliebe diese enorme Chance zum Scheitern verurteilt.
Insbesondere "wir Cyborgs" :)) sind also auf echte Auszeiten, Ruhe, Entspannung und Bewusstseinserweiterung angewiesen. Das Ergebnis von Peter Hinzmanns RL-Versuch , "das Web zu integrieren, auch wenn ich offline bin", dürfen wir mit Neugier abwarten.

Dazu schlage ich vor:
  • Täglich morgens und abends je bis zu einer halben Stunde meditieren (dazu ist PSM bestens geeignet)
  • Körper, Geist und Seele integrieren (Yoga unterstützt diesen Weg)
  • Täglich bewusst sehend, hörend, fühlend, riechend und schmeckend im Realen Leben spazieren gehen.
  • Qualitäts-Zeit mit Familie und Freunden verbringen.
  • Den Cyberspace nur als eine Umgebung betrachten, in der ein Teil der Präsenz des Cyborg stattfindet.             
Sich diese 5 Punkte zur dauerhafen Gewohnheit zu machen und sie auch nach dem "Digital Sabbatical" beizubehalten ist ein lohnendes Ziel.

    1 Kommentar:

    1. thomas!

      du sprichst mir aus der RL seele. deine ausführungen bestätigen das "gefühlte" weitgehend.

      durch eure feedbacks, thematischen erweiterungen und ideen-input werdet ihr zu einem wichtigen element in meinem kleinen projekt (ich bin sehr gespannt, wie es weiter geht...).

      es bestätigt auch, dass transparenz und ernsthafte wie erhliche kommunikation im web auf jeden fall ihre synergieeffekte entfalten.

      insofern stimme ich dir zu: die unterscheidung zwischen RL und virtueller welt ist für mich eine theoretische.

      der betriebene zeitaufwand scheint mir selbst im augenblick etwas "unbalanciert", aber das werde ich als ein übungsziel im sabbatical rekalibrieren.

      thomas, vielen dank für deine reaktion in form von total netten tweets, blogkommentaren und schließlich diesem artikel hier. ich weiß das zu schätzen und hoffe, dass sich unsere wege tatsächlich noch öfter kreuzen werden.

      #flow 4 you!

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