Dienstag, 20. September 2011

Experience Telling

"Experience telling" ... heißt das jetzt, so so.
Peter Hinzmann setzt sich auf der Suche nach Authentizität  in seinem neuesten Artikel - "Erfahrungen. Lebenslänglich." - mit der trendigen (?) Spielart des Schreibens einiger amerikanischer Blogger auseinander.
Dazu ergänzend ein paar eigene Gedanken meinerseits:
Experience ist das, was ich mit den 5 Hauptsinnen wahrnehmen und in diesen beschreiben  (sehen, hören, fühlen, riechen, schmecken) kann. Es hängt vom Experience des Lesers ab, was seine Aufmerksamkeit erregt und was bei ihm ankommt, denn unsere Wahrnehmung ist selektiv und durch unsere Vorerfahrungen geprägt. Jede(r) macht also sein Eigenes aus dem, was er liest. 
Jeder Erfahrungsbericht ist demnach so authentisch wie Leser und Schreiber für sich und im Zusammenspiel sein können. 
Wer etwas zum ersten Mal, oder in neuer Variante liest, findet das vielleicht interessant. 
Jemand der selbst das Beschriebene schon in 1000 Schattierungen erlebt hat, sieht sich vielleicht gelangweilt nach etwas anderem um, oder vertieft sich gerade deshalb in der gefundenen Sicherheit des Wiedererkennens?
Experience ist dreidimensional, erweitert bestenfalls um die zeitliche Dimension, die ein Erleben braucht um erlebt werden zu können.
Ist diese Begrenzung tatsächlich das, was Authentizität ausmacht? 
Ist nicht gerade das authentisch, was die materielle Gebundenheit gelegentlich zu überschreiten vermag? 
Kunst & Phantasie kommen bisweilen kongruenter daher als das als "reales Leben" Abgebildete. 

Zwar schreibe ich immer ohne Konzept und einfach so, wie "mir der Schnabel gewachsen ist", das alleine macht es aber nicht authentischer oder origineller.  Vielleicht wäre der Text nach nochmaliger Überarbeitung lesbarer und gefälliger?
Authentizität ist für mich eine Frage der Wahrnehmungsperspektive und des Bewusstseins, sie ist demnach keine feststehende Größe sondern einem Prozess unterworfen
Mit anderen Worten:  
  • Jede(r) ist jederzeit so authentisch wie möglich.
Sich in der Darstellung auf das Experience Telling zurückzuziehen, kommt dem bewussten Verzicht gleich, dem der Behaviourismus seinerzeit so viele Horizonte geopfert hat, nur um empirisch exakt zu erscheinen, und was war daran authentisch ?!

2 Kommentare:

  1. Thomas!

    ach wie herrlich, wenn etwas funktioniert.

    wollte doch mal sehen, wie ich mit diesem im augenblick bei den us-bloggern hip werdenden thema ankomme...

    wunderbar finde ich die abwehrreaktionen, die der artike hervorruft.

    zu recht - und von mir absichtlich provoziert, denn ich habe das naive amerikanische gelaber dann auch mal satt: erst wird einem das "von Angesicht-zu Angesicht" sprechen als die authentische kommunikation überhaupt an den kopf geseiert, dann wird plötzlich das erzählen der alltäglichen zahnaztbesuche zur authentischen webpersönlichkeit.

    na ja, wie ich sehe befinde ich mich in bester gesellschaft... :-)

    ich sehe authentizität auch als prozess an.

    allerdings teile ich deinen vergeleich mit dem behaviorismus nicht, da es im web (meiner ansicht nach) ja nicht darum gehen soll, 100% reales leben abzubilden, sondern eine auswahl - am besten inhaltlich kongruenter - erfahrungen oder themenbereiche derzustellen.

    auch kenne ich eine menge leute im RL und auch online, die als persönlichkeiten so inkongruent daherkommen, dass ich auch deine definition von authentizität als permanente grundeinstellung nicht teile.

    ich freue mich sehr über das feedback, das dieser artikel ausgelöst hat.

    und, lieber thomas, da muss ich doch auf deinem profil lesen (habe ich wohl bisher übersehen): erziehungswissenschaftler... DAS erklärt einiges :-)

    beste grüße

    pete

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  2. Provoziert, so ja, na das ist Dir ja dann gelungen ;)
    Nun der Behaviourismusvergleich hinkt, leistet aber doch, über die Historie deutlich zu machen, wohin die Einschränkung durch das Urteil einiger weniger darüber, was "authentisch" sei, letztendlich führt.
    Deshalb bleibe ich weiterhin bei der Behauptung:
    Jede(r) ist jederzeit so authentisch wie möglich.
    ... und das ist er (sie) eben auch in dieser herrlich menschlichen Inkongruenz, die allenthalben mal vorkommt :))
    Namaste
    Thomas

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