Dienstag, 11. Oktober 2011

Einige Bemerkungen zum Thema Rapport

Vor einigen Tagen wurde ich von @Rolf_Mueller über Twitter auf einen - wie ich meine - sehr guten Einstiegsbeitrag zum Thema "Rapport Herstellen und Halten" aufmerksam gemacht (vgl. NLP im Business: Blog der Intarix Consulting GmbH):
Rapport wird dort definiert als "die positive Beziehung zwischen Individuen, die durch gegenseitige Achtung, Verständnis und Vertrauen gekennzeichnet ist. Rapport ist die Grundlage für zwischenmenschliche Beziehungen und (ist, d.A.) dann erreicht, wenn der Klient das Gefühl hat, verstanden zu werden." (ebenda)
Erreicht werden soll der Rapport durch Angleichung, wobei nach dem Artikel im NLP 4 Angleichungsstufen unterschieden werden:
  • Matching – sich begegnen und wahrnehmen
  • Mirroring – durch angemessenes spiegeln die Ausgangsposition einnehmen
  • Pacing – sich dem Klienten anpassen und Schritt halten
  • Leading – die Führung im Gespräch übernehmen (vgl. ebenda)
Diese Anpassung der einzelnen Stufen - insbesondere der letzten beiden - wird auf Verhaltensebene beschrieben, also sehr konkret, so dass der Leser (die Leserin) weiß, was er (sie) genau tun sollte, um sich optimal auf Kommunikationspartner einzustellen.
Es wird dann noch kurz umrissen, welche Auswirkungen dies auf die unterschiedlichen Kommunikationsarten hat.
  • verbale Kommunikation (Worte, Sätze, Inhalt)
  • paraverbale (wie jemand spricht, Sprachrhythmus ) und auch
  • nonverbale (Körperhaltung, Gestik, Atmung) - (vgl. ebenda)
An den inzwischen in der Neuropsychologie umfassend thematisierten "Spiegelneuronen" wird die Begründung festgemacht, dass die Fähigkeit, Rapport herzustellen im Grunde eine natürliche Eigenschaft auch schon der ganz kleinen Menschen ist.  Dies wird in der anschließenden Beschreibung natürlicher Anpassungsphänomene im Sozialverhalten von Menschen aufgezeigt und anhand konkreter Beispiele plausibel gemacht.
Was zunächst wie eine Kommunikationstechnik und professionelles Verhalten daherkommt, stellt sich also als völlig natürliche Erscheinung heraus. Ach so, na dann ist ja alles gut!

Wäre da nicht der professionelle Anspruch des NLP, der dann schließlich einräumt, dass es schon so sei, dass Berater diese Erkenntnisse bewusst einsetzen, ohne dass der Kunde (die Kundin) dies merke. Das sei auch wichtig, denn NLP-Anwender oder Berater müssten ja auch Hypnose einsetzen und dafür müsse der Rapport besonders stark sein (!)
Prompt ergibt sich aus dieser - einfach so in den Raum gestellten Behauptung - eine Kontroverse, die ich im Rahmen von Ausbildungsgruppen und Trainings immer wieder erlebt habe:

Im Wesentlichen zeigen sich dabei 2 Lager:
  • Die einen vertreten: "Ja natürlich darf ich Pacen und dann irgendwann die Führung übernehmen, denn das ist doch - zumindest wenn ich selbst integer bin - nur zum Besten meines Kunden!"
  • Die anderen wiederum meinen: "Schande über jeden, der sich solch abscheulicher Manipulationstechniken bedient."
Es ist leicht, sich vorzustellen, dass sich in einer weiteren Zuspitzung die einen in die Position versteigen, es sei okay, jemandem, der eigentlich einen Haartrockner kaufen wollte, eine Waschmaschine anzudrehen (selbst wenn er die eigentlich nicht brauchte) sofern sie ihn glücklich macht. Weil der Verkäufer sich ja dann auch freue, sei das dann sozusagen eine klassische "Win-Win-Situation", bei der es ja nur Gewinner, aber keine Verlierer gebe.  Während dessen wenden sich die anderen angewidert ab und behaupten, sie wollten mit so einer abgefeimten Masche nichts zu tun haben, obwohl sie eventuell ja schon selbst auf Erfolg getrimmte Verkäufer sind und z.B. bei der Verwendung von Suggestivfragen innerhalb derselben Diskussion keinerlei Bedenken hegen.

Nach 25 Jahren Erfahrung mit NLP, davon mindestens 20 Jahren in einer Trainerposition, möchte ich dazu einige Aspekte beitragen, die mir persönlich sehr am Herzen liegen:
    Das Mädchen beobachtet den Pianisten ...
  • Kontaktaufnahme, sich auf Menschen von Interesse einzustellen, sich anzupassen, die notwendige Vertrautheit zu finden und dann auch mal kreativ sein zu dürfen sind archetypisch  verankerte Grundfähigkeiten, die jeder Mensch auf die Welt mitbringt, und die er hat, solange er in einer Atmosphäre gegenseitigen Vertrauens leben darf.  Kleinkinder beobachten, imitieren um zu Verstehen. Dadurch fällt es ihnen leicht, Kontakt herzustellen und eine Vertrauensbasis zu schaffen, die ihre Kommunikationspartner dazu bringt sich ihrerseits zu öffnen und sich mitzuteilen.





    ... ahmt seine Sitzhaltung nach ...
  • Wie auf diesen Aufnahmen zu sehen, ist Pacing eigentlich "kinderleicht"!  Mit dem Größerwerden und der sich zunehmenden Ausprägung des Ego verliert sich diese Fähigkeit jedoch zunehmend.  Das besondere Verdienst von NLP und dem angesprochenen Artikel ist die operationalisierende Beschreibung des Ablaufes vom Rapportaufbau. Das erlaubt sogar "erwachsenen Egomanen", sich über die einzelnen Schritte des bewußten, körperlichen Anpassens in die Lage zu versetzen, den nonverbalen Anteil (angeblich 93%) der Kommunikation anderer nachzuvollziehen, um den Kommunikationspartner besser zu verstehen. (In der übenden Anwendung findet sich dann manchmal auch die Erinnerung an den ursprünglich angeborenen Mindset :)

    • Pacing definiere ich als einen inneren Prozess des Bemühens, sich selbst auf den Kommunikationspartner so einzustellen, dass ein gutes Verstehen des anderen und von sich selbst in der entsprechenden Lage begünstigt und gemeinsames Lernen sowie der Austausch darüber möglich wird.                                                 Darin liegt der eigentlich interessante evolutionäre Vorteil, der uns helfen könnte, auch in Bezug auf die nun für uns alle anstehenden Veränderungen (Klima, Systemökologie, Wirtschaft, Politik, ...) Lösungen zu finden.
    • Gelegentlich bleiben diese Fähigkeiten als Folge von Verunsicherungen (z.B. durch gestörte Kommunikationsmuster im System, also der Familie, des Unternehmens etc.) oder gar von Traumatisierungen auf der Strecke. Dies geschieht insbesondere dann, wenn ein System aus der Balance kommt, oder ein Gleichgewicht erst wieder gefunden werden muss. Das gilt tatsächlich manchmal auch für Klienten-Helfer-Beziehungen (oder Verkäufer-Kunden-Begegnungen). Dann können die beschriebenen Phänomene, respektive ihr Fehlen hilfreiche Indikatoren dafür sein, dass etwas schief gegangen ist.  Bei genauerer Analyse lässt sich häufig auch herausfinden, was genau wie verändert werden muss, um (wo möglich) eine Vertrauensbasis (wieder) herzustellen.
    • Achtung: Rapport ist wie ein Fenster zwischen Kommunikationspartnern. Wenn's mal offen steht, ist es nach beiden Seiten offen. Das sei inbesondere zu bedenken, wenn der "Kommunikationsprofi" (hier der Helfer oder auch der Verkäufer) das Pacing "auf Teufel komm raus" betreibt. Die entscheidende Frage ist, ob er mit den Teufeln und Schattenthemen überhaupt umgehen kann, wenn sie sich endlich herauswagen und sich zeigen. (Auf lustige Weise veranschaulicht diese Problematik eine Geschichte in Walter Lübeck's Handbuch des spirituellen NLP, 1998)                                                                                                 Rapport begünstigt gewissermaßen die direkte Vermittlung innerer Haltungen, auch problematischer Muster bis auf die manifestierende Körperebene (Masseure, Physiotherapeuten und auch Psychotherapeuten beobachten gelegentlich die Übernahme von Symptomen ihrer Kunden in den eigenen Körper.  Es gehört zu ihrer Ausbildung, zu lernen, sich davor mental zu schützen. "Supervision" und "Coaching Coaches" sind professionelle Verfahren, um - besonders - Menschen aus helfenden Berufen kontinuierlich die Chancen zu geben, Verstrickungen möglichst schnell zu erkennen und aufzulösen, ehe es zu Burnoutsymptomen kommt.
    • An dieser Stelle sei auch erlaubt, nochmal explizit daran zu erinnern, dass Verkäufer und Kunde, genau so wie Helfer und Klient, in einen prinzipiell möglichst gleichberechtigten Prozess eintreten. Ein Ressourcen- oder Wissensvorsprung rechtfertigt die weiter oben beschriebene Haltung nicht. Erfahrene Verkäufer und Helfer wissen, dass es darum geht, sich auch den Kunden bzw. Klienten einzulassen und dabei die eigenen Fähigkeiten und Ressourcen vorbehaltlos zur Verfügung zu stellen, um in einem gemeinsamen Prozess adäquate Lösungen zu erarbeiten. Die Aufgabe eines Verkäufers ist eine dienende Tätigkeit, in der er seinen Wissensvorsprung die Ware betreffend, seine Möglichkeit eine Außenperspektive zu beschreiben, um Rückmeldungen zu geben, die Informationsfülle zu ordnen und die sprachliche Fähigkeit den Kunden dabei zu unterstützen, sich zu orientieren, selbigem zur Verfügung stellt. Seinem Geschäft oder dem Unternehmen nutzt er dann, wenn die Kundschaft zufrieden ist und sich an der Ware vorbehaltlos erfreuen kann, und deshalb gerne an diesen Ort zurückkehren wird, oder ihn sogar weiterempfiehlt.
    • Das in dem Artikel unter der Überschrift "NLP im Business" beschriebene Wissen wird, ähnlich wie zum Beispiel die Redekunst (Rethorik),  traditionell und heute immer noch als Herrschaftswissen vermittelt, welches auf einem imaginären Machtgefälle zwischen Sender und Empfänger beruht. Den Boden für diese verzerrte Vorstellung bietet in der modernen Gesellschaft die immer noch hochgehaltene Leistungsideologie und die im Kapitalismus herrschende Wachstumsprämisse.  Hier ist m.E. ein Umdenken und ein Paradigmenwechsel längst überfällig: Erst wenn Helfer und Verkäufer einerseits und Klient und Kunde andererseits bereit sind, das Eins-Sein mit dem Kommunikationspartner (an-) zu erkennen, wird auf die Dauer ein friedliches Miteinander zum gemeinsamen Nutzen möglich.
    • In Bezug auf die im Artikel erwähnten "Spiegelneuronen" sei ergänzend darauf hingewiesen, dass die zeitgleiche (oder sogar auch schon vorweggenommene!) Abbildung der inneren Prozesse eines Beobachteten im Körper des Beobachters auf Prinzipien der Quantenmechanik beruht, welche durch digitalisierte (also sprachlich gefasste) Überlegungen und hölzerne Taktiken oder Handlungsanweisungen nicht direkt beeinflussbar sind, weil sie der analogen Wahrnehmung an Geschwindigkeit hoffnungslos unterliegen müssen.
    • Spiegelneuronen feuern nicht nur im Gehirn, wie man zuerst dachte. Sie feuern in allen Körperteilen (sogar in den Gedärmen :), wobei die Ausstrahlung bzw. das damit einhergehende elektromagnetische Signal vom Herzen ausgehend glücklicherweise am stärksten ist.
    • Guter Rapport ist letztlich und endlich: Herzenssache!
      ... gewinnt seine Aufmerksamkeit und bekommt einen Musikwunsch erfüllt.
      Was hat NLP mit Meditation zu tun? 
      Die eigentliche Stärke von NLP liegt in der Fähigkeit der minutiösen Beobachtung. Um diese optimal zu beherrschen helfen neben technischen Hilfsmitteln auch die Auseinandersetzung mit den signifikanten Anderen und Kontemplation. Aufmerksamkeitsmeditation ist dieser Domäne am nächsten und übt vermutlich daher auf NLP-Anwender einen besonderen Reiz aus, was einen NLP-Trainer aber nicht automatisch zum Meditationslehrer macht, obwohl im NLP Methoden verankert sind, die einen Einstieg in die Achtsamkeitsmeditation sehr erleichtern können.  Eventuell kann ich auf einen anderen Intarix-Artikel zum Thema "Achtsamkeit" ein anderes Mal gezielt eingehen (Leider kenne ich nur wenige NLP-Trainer die tatsächlich Ahnung von Meditation haben und selbst regelmäßig meditieren.)

      Was hat nun Pacing mit Meditation zu tun? 
      Meditation hilft, sich zu entspannen, sich selbst zu erkennen, seine Wahrnehmungen zu verbessern. Sie findet nicht nur im Gehirn statt. Wer regelmäßig meditiert findet speziell über die 3 Seelenfragen von der Aufmerksamkeit über das Einfühlungsvermögen zu dem Punkt, an dem die Herzenergie zunimmt.  Die Kraft des Herzens ist die Voraussetzung für "Flow".
      In diesem Sinne wünsche ich allen Lesern und Leserinnen Frieden, Harmonie, Lachen und Liebe!

      Namasté!



      Zum Intarix-Artikel "Rapport Herstellen und Halten"

      Freue mich auf Meinungen und Beiträge zu diesem Artikel :)
        

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